JOSEPH ROTH: DAS SPINNENNETZ

Bayerischer Rundfunk 2012

Ursendung:
27./28. Mai 2012, Bayern 2
je 54 min.

Foto von Ulrike Kreutzer

Komposition: Jakob Diehl
Bearbeitung und Regie: Katja Langenbach

Mit: Martin Carnevali, Norman Hacker, Lena Lauzemis,
Bernd Moss, Thomas Thieme, Steven Scharf

Spinnennetz, Regie Katja Langenbach

Joseph Roths erster Roman Das Spinnennetz beschreibt den unaufhaltsamen Aufstieg der Faschisten im Deutschland der 20er Jahre.
Als enttäuschter Kriegsheimkehrer findet sich der ehemalige Leutnant Theodor Lohse nicht mehr zurecht. Zerbrochen sind seine Träume vom militärischen Triumph und seine Hoffnungen auf eine herausragende gesellschaftliche Bedeutung. Stattdessen lebt er in ärmlichen Verhältnissen als Jurastudent und Hauslehrer bei einem reichen jüdischen Juwelier in Berlin. Sein Ehrgeiz treibt ihn schnell in die Arme einer rechtsradikalen Geheimorganisation, für die er zunächst als einer von vielen Spitzeln arbeitet. Endlich wieder einer klaren Führung verpflichtet, geht er über Leichen, um seine Aufgaben zu erfüllen, übereifrig, getrieben von der Angst vor der eigenen Unzulänglichkeit und Kleinheit. Morde und militärische Kameradschaftlichkeit, Denunziation, ideologiefreies Kalkül und Paktieren mit politischen Gegnern sowie die Heirat in den deutschen Adel verschaffen ihm in der Folge eine Machtposition.
Doch trotz seines gesellschaftlichen Aufstiegs findet Theodor keine Ruhe und leidet unter Verfolgungswahn. Angst und Selbstzweifel dominieren ihn bis zum Schluss, er wird nicht erlöst von dem ihn ewig quälenden Ehrgeiz, unter dem eine große innere Leere liegt. Joseph Roth beschreibt mit Theodor Lohse und den ihn umgebenden Menschen die deutsche Identitätssuche nach dem 1. Weltkrieg.
Theodor ist ein Mensch ohne Halt in einer Gesellschaft der radikalen Gegensätze zwischen Nationalsozialisten und Kommunisten, Bürgertum, Adel und Proletariat, Hunger und Überfluss, Militarismus und kultureller Avantgarde, Spitzelwesen und lautstarken nationalen Studentenbewegungen, Antisemitismus und aufkeimender Demokratie, zwischen Gewalttätigkeit und Amüsierlust, zwischen Fortschritt und Reaktion. In dieser verwirrenden, explosiven gesellschaftlichen Gemengelage glaubt Theodor letztlich an nichts und niemanden – außer an sich selbst und sein Emporkommen. Einzig entscheidend ist, auf der Seite der Gewinner zu stehen. So mausert sich Theodor Lohse zum wichtigen Funktionär im sich anbahnenden nationalsozialistischen Deutschland.
Das Spinnennetz erschien als Fortsetzungsroman vom 7.Oktober bis 6. November 1923 in der Wiener Arbeiterzeitung und nahm damit die Ereignisse des Hitlerputsches, der sich nur wenige Tage nach dem letzen Abdruck ereignete, auf prophetische Weise vorweg.