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VIRGINIA WOOLF: JACOBS ZIMMER

VIRGINIA WOOLF: JACOBS ZIMMER

Aus dem Englischen von Gaby Hartel

Hörspiel in 4 Teilen Bayerischer Rundfunk 2012 Bearbeitung: Gaby Hartel Komposition: Jakob Diehl Regie: Katja Langenbach

Mit: Friedhelm Ptok, Britta Hammelstein, Sylvana Krappatsch, Wiebke Puls sowie Caroline Ebner, Dominik Kaschke, Sabine Kastius, Hans Kremer, Julia Loibl, Oliver Losehand, Alexander Lückenhaus, Benedikt Lückenhaus, Stefan Merki, Annette Paulmann, Georgia Stahl, Michaela Steiger, Andrea Wenzl und Johannes Zirner

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Die Produktion kann im Hörspielpool des Bayerischen Rundfunks angehört werden.

Eine Schriftstellerin um die Vierzig im Prozess, ihren scharfen Blick auf die Welt, deren Politik und innere Mechanik in erfahrungsnaher Literatur darzustellen. Eine untergehende Gesellschaftsform im England der (Vor-)Kriegszeit und ein junger Mann, der im Ersten Weltkrieg stirbt, noch bevor er seine Persönlichkeit voll entfalten konnte. Virginia Woolf, ihr Gegenstand und der Wunsch nach einem neuen, unmittelbaren Ausdruck: Das sind die äußeren Koordinaten des Romans Jacobs Zimmer, der 1922 erschien und ein wenig bekanntes Meisterwerk der Moderne ist.

Aus der inneren Logik des Romans entsteht eine faszinierende literarische Erfahrung, eine multisensorische Folge von atmosphärischen Ausschnitten, kurzen Einblicken, vielstimmigen Einschätzungen, die lose chronologisch aneinandergereiht sind. Wir begegnen Jacob als Kleinkind am Strand, erhaschen Eindrücke aus seiner Schulzeit, seinem Studentenleben in Cambridge, sehen ihn durchs nächtliche London zu einer Geliebten gehen oder nach Griechenland reisen. Das Unerhörte daran: Jacob selbst spricht nie und genau das war Virginia Woolfs Schlag gegen die viktorianische Erzählkonvention, in der sie sozialisiert wurde, und deren autoritäre Vorgaben sie zeitlebens angriff. Ihre gelungene Romanerfindung arbeitet erstmals mit einer Art fotografischer Schnitttechnik und zeigt, dass Jacob durchaus da ist: heraufbeschworen, nicht aus der Aufzählung von charakterbestimmenden Fakten und gedrechselten Sätzen eines allwissenden Erzählers, sondern auf geisterhafte Weise in Facetten gespiegelt: in den Blicken, Gedanken- und Gesprächsfetzen seiner Umgebung. Es ist, als blättere man mit angehaltenem Atem durch das Fotoalbum eines Fremden.

So stehen wir heutzutage im Leben, meinte Woolf, so erfahren wir die Welt: Wir gleiten durch eine Abfolge von symbolischen Räumen, durch sprechende Atmosphären, angerissene Szenen und Gesprächsfetzen, und wenn wir sie lesen lernen, verstehen wir vielleicht ein bisschen besser, wer wir sind.

Virginia Woolf ist bekannt für ihre schonungslose Selbstkritik, doch mit Jacobs Zimmer, das die Reihe ihrer berühmten Romanexperimente einleitete, war sie durchaus zufrieden: "Ich habe keinen Zweifel mehr, dass ich (mit 40!) herausgefunden habe, wie ich die Dinge in meiner eigenen Stimme ausdrücken kann", notierte sie beim Erscheinen des Romans in ihr Tagebuch

Spinnennetz, Regie Katja Langenbach

JOSEPH ROTH: DAS SPINNENNETZ

JOSEPH ROTH: DAS SPINNENNETZ

Bayerischer Rundfunk 2012

Ursendung:
27./28. Mai 2012, Bayern 2
je 54 min.

Foto von Ulrike Kreutzer

Komposition: Jakob Diehl
Bearbeitung und Regie: Katja Langenbach

Mit: Martin Carnevali, Norman Hacker, Lena Lauzemis,
Bernd Moss, Thomas Thieme, Steven Scharf

Spinnennetz, Regie Katja Langenbach

Joseph Roths erster Roman Das Spinnennetz beschreibt den unaufhaltsamen Aufstieg der Faschisten im Deutschland der 20er Jahre.
Als enttäuschter Kriegsheimkehrer findet sich der ehemalige Leutnant Theodor Lohse nicht mehr zurecht. Zerbrochen sind seine Träume vom militärischen Triumph und seine Hoffnungen auf eine herausragende gesellschaftliche Bedeutung. Stattdessen lebt er in ärmlichen Verhältnissen als Jurastudent und Hauslehrer bei einem reichen jüdischen Juwelier in Berlin. Sein Ehrgeiz treibt ihn schnell in die Arme einer rechtsradikalen Geheimorganisation, für die er zunächst als einer von vielen Spitzeln arbeitet. Endlich wieder einer klaren Führung verpflichtet, geht er über Leichen, um seine Aufgaben zu erfüllen, übereifrig, getrieben von der Angst vor der eigenen Unzulänglichkeit und Kleinheit. Morde und militärische Kameradschaftlichkeit, Denunziation, ideologiefreies Kalkül und Paktieren mit politischen Gegnern sowie die Heirat in den deutschen Adel verschaffen ihm in der Folge eine Machtposition.
Doch trotz seines gesellschaftlichen Aufstiegs findet Theodor keine Ruhe und leidet unter Verfolgungswahn. Angst und Selbstzweifel dominieren ihn bis zum Schluss, er wird nicht erlöst von dem ihn ewig quälenden Ehrgeiz, unter dem eine große innere Leere liegt. Joseph Roth beschreibt mit Theodor Lohse und den ihn umgebenden Menschen die deutsche Identitätssuche nach dem 1. Weltkrieg.
Theodor ist ein Mensch ohne Halt in einer Gesellschaft der radikalen Gegensätze zwischen Nationalsozialisten und Kommunisten, Bürgertum, Adel und Proletariat, Hunger und Überfluss, Militarismus und kultureller Avantgarde, Spitzelwesen und lautstarken nationalen Studentenbewegungen, Antisemitismus und aufkeimender Demokratie, zwischen Gewalttätigkeit und Amüsierlust, zwischen Fortschritt und Reaktion. In dieser verwirrenden, explosiven gesellschaftlichen Gemengelage glaubt Theodor letztlich an nichts und niemanden – außer an sich selbst und sein Emporkommen. Einzig entscheidend ist, auf der Seite der Gewinner zu stehen. So mausert sich Theodor Lohse zum wichtigen Funktionär im sich anbahnenden nationalsozialistischen Deutschland.
Das Spinnennetz erschien als Fortsetzungsroman vom 7.Oktober bis 6. November 1923 in der Wiener Arbeiterzeitung und nahm damit die Ereignisse des Hitlerputsches, der sich nur wenige Tage nach dem letzen Abdruck ereignete, auf prophetische Weise vorweg.

HEINRICH VON KLEIST: MICHAEL KOHLHAAS 2012 Theater St. Gallen, Regie: Katja Langenbach

HEINRICH VON KLEIST: MICHAEL KOHLHAAS

HEINRICH VON KLEIST:
MICHAEL KOHLHAAS

Premiere: 19.04.2012
Theater St. Gallen

Fotos von Tine Edel

Kleines feines Reich, Regie Katja Langenbach

MEIN KLEINES, FEINES REICH

MEIN KLEINES, FEINES REICH

Die wahre Geschichte von Hansemann und Mi

Hörspiel von Gundula Iblher und Katja Langenbach

Bayerischer Rundfunk 2012

Ursendung:
14. Februar 2012, Bayern 2
ca. 55 min.

Regie: Katja Langenbach

Mit: Wiebke Puls, Tim Kramer

Foto von Ulrike Kreutzer

Kleines feines Reich, Regie Katja Langenbach

"Berühmte Menschen müssen immer ihre Memoiren schreiben, veröffentlichen ihre Briefe und lassen alle Welt in ihre persönlichen Sachen hineinsehen. Dann können andere Leute, die keine Briefe schreiben können, sich darüber verbreiten, wie sie alles besser gemacht hätten." Otto Hansen, 1930
"Bin 36-jährig, 1,92 Meter groß und ansehnlich, Wasserwanderer und Liebhaberfotograf, Kaufmann und Idealist", so lautete die Selbstbeschreibung der Heiratsanzeige, die der Hamburger Otto Hansen beim BUND aufgab, der "ersten Treuhandorganisation des Sichfindes". Unter den über 70 Frauen, die ihm mit Bewerbungsschreiben antworteten, war eine mit türkischem Absender: "Maria Heldmann, Guraba Hospital, Istanbul". Sie war eine hessische Pfarrerstochter, die ein für die damalige Zeit ungewöhnlich emanzipiertes Leben führte: unverheiratet und Leiterin einer Schwesternschule im Orient, wo sie für dreißig Mitarbeiterinnen verantwortlich war, dennoch mit der Sehnsucht nach einer "echten deutschen Ehe".
Der Briefwechsel, der sich zwischen "Hansemann" und "Mi" – wie sich die beiden bald zärtlich nannten - entspann, wurde von ihrer Enkeltochter entdeckt. Er ist ein lebhaftes Stück Alltagsgeschichte und gewährt einen privaten Einblick in die bewegte Zeit um 1930 in einer manchmal befremdlich deutschtümelnden Sprache. Der nüchterne Kaufmann und die impulsive Oberschwester versuchen, sich zwischen wagner‘ schem Pathos und technischem Fortschritt zu orientieren, zwischen Emanzipation und Konvention, Naturschwärmerei und Wirtschaftskrise, deutsch-nationalem Idealismus und Kriegstrauma. Ihre Reaktion auf die schwierigen Positionsbestimmungen liegt in einem kaum zu unterdrückenden Bedürfnis nach dem Rückzug ins Private. Und so ist fünf Monate und zahllose Briefe später alles ausgemacht: Maria Heldmann macht sich auf die Reise nach Hamburg zu einem Mann, den sie noch nie gesehen hat. Er soll der "Finanzminister", sie die "Innen- und Kultusministerin" ihres "feinen, kleinen Reiches" werden. Doch diese Liebesgeschichte zwischen zwei einfachen Menschen zeigt, dass sich Privatleben und Zeitgeschehen nicht voneinander trennen lassen. Das Familienidyll scheiterte an den politischen Ereignissen. Nach nur sieben Ehejahren brach der Krieg aus, die junge Familie wurde auseinander gerissen. Acht Monate nachdem sie wieder zusammen fand, starb Maria Heldmann.
"Die Zeit bekommt immer mehr Tempo und wer weiß, wie wir uns noch mal über die tolle Jugend werden wundern müssen, wenn wir ihre Taten an unseren veralteten Ansichten von 1930 messen werden."