JULI ZEH: GOOD MORNING, BOYS AND GIRLS 2011 Theater Ulm, Regie: Katja Langenbach

JULI ZEH: GOOD MORNING, BOYS AND GIRLS

JULI ZEH: GOOD MORNING, BOYS AND GIRLS

Premiere: 8.12.2011 Theater Ulm

FRANZ KAFKA: AMERIKA 2011 Theater Ingolstadt, Regie: Katja Langenbach

FRANZ KAFKA: AMERIKA

FRANZ KAFKA: AMERIKA

2011
Theater Ingolstadt

AISCHYLOS: DIE PERSER

AISCHYLOS: DIE PERSER

Bayerischer Rundfunk/Münchner Kammerspiele 2011

Ursendung:
25. Juni 2011, Bayern 2
ca. 90 min.

Wiedergegeben von Durs Grünbein
Komposition: Carl Oesterhelt
Regie: Katja Langenbach, Johan Simons

Mit: Nico Holonics, Stefan Hunstein, Sylvana Krappatsch, Wolfgang Pregler, Hildegard Schmahl und einem Münchner Bürgerchor

In Die Perser greift der griechische Dichter Aischylos acht Jahre nach der Schlacht bei Salamis 480 v. Chr. – bei der er selbst dabei war – einen aktuellen Stoff auf. Es ist das älteste Stück des klassich-antiken Theaters und gilt als eines der ältesten der Welt. Außerordentlich ist Aischylos’ klug gewählte Perspektive, aus der Sicht des geschlagenen Gegners zu erzählen.
Atossa, die Mutter des jungen Perserkönigs Xerxes, ahnt das Unglück. Zusammen mit dem Rat der Ältesten wartet sie vor dem Palast in Susa auf Nachrichten aus der Schlacht. Xerxes ist erneut gegen die Griechen in den Krieg gezogen. Mit der Nachricht eines Boten werden die Befürchtungen war. Gemeldet wird der Untergang der mehr als 200 Schiffe umfassenden Flotte bei Salamis und die Niederlage des Heeres. Die Klage von Chor und Mutter mündet in eine Beschwörung des Geistes des Dareios, Vater und Vorgänger des Xerxes, der das Unglück als Strafe für Hybris, Machtstreben und Verblendung seines Sohnes deutet. Schließlich erscheint Xerxes: sich in Selbstanklage zerfleischend und zugleich die Ursache für die Katastrophe einem von außen auferlegten Schicksal zuschreibend. Zusammen mit dem Chor ertönt eine generationenübergreifende Schmerzens- und Totenklage.
"Das Drama des zoon politikon, das ohne Not sein Gemeinwesen aufs Spiel setzt, sich selbst überlassen, ausgeliefert den eigenen Kriegszielen und dem Phantasma der Allgewaltigen – Statistiken, Informationsströme, Medien, Dämonen, das sind Die Perser des Aischylos" schreibt der Lyriker Durs Grünbein. In Die Perser zeigt sich die Utopie in der Empathie der Sieger für die Besiegten. Der geschlagene Gegner muss nicht herabgesetzt werden, vielmehr stellen die Griechen sich im Mitleiden mit den geschlagenen Persern selbst in Frage.

Die Perser in der Inszenierung von Johan Simons, dem Intendant der Münchner Kammerspiele, wurde zunächst als Theateraufführung konzipiert. Für die Aufführung des Stückes haben die Münchner Kammerspiele den konventionellen Theaterraum verlassen und sich mit der ehemaligen Bayern-Kaserne in München Freimann für einen Schauplatz entschieden, der die Themen und Topoi der ältesten griechischen Tragödie aufgreift und in einen Bezug zur Gegenwart setzt. Neben dem Ensemble der Kammerspiele gibt es dort eine künstlerische Zusammenarbeit mit verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen, die Krieg erfahren haben. Der antike Chor besteht zum einen aus einem Bürgerchor, der durch seine Biografien den zeitgeschichtlichen Vorgaben des Ortes und den inhaltlichen des Stückes teilweise folgt: Bürgerinnen und Bürger, die noch konkrete Erinnerungen und Erlebnisse mit dem Zweiten Weltkrieg verbinden. Diesen historischen Zeugen, die am ehesten dem greisen Chor bei Aischylos entsprechen, wurde zum anderen eine zweite Gruppe an die Seite gestellt, deren Biografien von Kriegen der jüngeren Geschichte geprägt sind: Flüchtlinge aus dem Irak, Uganda und Bosnien.

Unmittelbar nach der Theateraufführung wird Aischylos’ Text als Hörspiel inszeniert. Die besondere Verbindung aus Ensemble und Bürgerchor wird dabei von Johan Simons und Katja Langenbach in seinen klanglichen Dimensionen erfahrbar gemacht und von den Kompositionen Carl Oesterhelts begleitet.

PRESSE

FUNKKORRESPONDENZ 24.6.2011
Ein eindringliches Erlebnis
Aischylos: Die Perser. Wiedergegeben von Durs Grünbein (Bayern 2)
Bayern 2 Sa 25.6. 15.05 bis 16.45 Uhr

Eine der schrecklichsten Schlachten Europas, Menschengemetzel unbekannten Ausmaßes, schlimmer als Waterloo und an Vernichtungswut mit Stalingrad zu vergleichen, liegt mehr als 2000 Jahre zurück. Im Jahr 480 v. Chr. vernichteten die zahlenmäßig unterlegenen Griechen bei Salamis das vorher nie besiegte Heer der Perser, die unter Dareios (Darius) ein Weltreich aufgebaut hatten. Sein Sohn Xerxes, machtbesessen und vom anfänglichen Kriegsglück verblendet, verlor an einem einzigen Tag seine ganze Flotte von mehr als 200 Schiffen und das gesamte Heer. Nur wenige, darunter er selbst, überlebten die Niederlage.
An dieser vernichtenden Schlacht nahm auf griechischer Seite der Dramatiker Aischylos teil. Nur vier Jahre nach der Schlacht von Salamis errang er den ersten seiner 13 Siege im Tragiker-Agon, also einem Theater-Wettkampf. 90 Tragödien soll er geschrieben haben, von denen jedoch nur sieben erhalten sind, darunter (neben der Trilogie der „Orestie“) sein wohl berühmtestes Werk: „Die Perser“. Die Uraufführung wird auf das Jahr 472 datiert. Aischylos schildert in dem Stück als Angehöriger der Siegernation in ungewöhnlicher Perspektive das Geschehen aus der Sicht der Geschlagenen.

Nicht zum ersten Mal hat die Hörspieldramaturgie des Bayerischen Rundfunks (BR), die bekanntermaßen und glücklicherweise vor hohen Ansprüchen nicht zurückschreckt, eine Zusammenarbeit in synergischer Kreativität mit einer „Schwesterdisziplin“ gewagt, in diesem Fall mit dem Theater, hier den Münchener Kammerspielen. Dabei wurde – und das erweist sich als wahrer Glücksgriff – der Lyriker Durs Grünbein mit der Übersetzung aus dem Griechischen beauftragt. Offensichtlich mit dem Original sehr vertraut und voller Respekt vor dessen Sprachgewalt gelingt ihm eine Übertragung, die den „klassischen“ Ton wahrt, mit großer Sicherheit und Sensibilität die Metrik nachformt, den Rhythmus ebenso beibehält wie den „tragischen Klang“, und dies auf eine Weise, die man nicht als „modern“ bezeichnen mag, denn diese Floskel greift hier nicht.

Durs Grünbein ist es vielmehr gelungen, eine poetische Harmonie zwischen Original und Übertragung zu erschaffen, die alle Bewunderung wert ist. Metrik fordert äußerste Genauigkeit, Disziplin, aber auch poetische Fantasie und gelegentlich durchaus kühne Freiheit im Umgang mit der Semantik („Sind ihnen Pfeile bekannt? / Verstehn sie, den Bogen zu führen, geschickt?“). Und selbst da, wo – an wenigen Stellen – Modernismen oder dialektale Einsprengel im ersten Moment irritieren und zu stören scheinen, erweisen sie sich im Zusammenklang als nachvollziehbarer Tribut an den metrischen Kosmos des Gesamtwerks („In Athen, heißt das, / ging kein einziger Ziegel zu Bruch“ oder „Wer von den Jungs / hat den Feldzug geführt, / sag mir das“).

Johan Simons, der Intendant der Münchener Kammerspiele, hat zusammen mit Katja Langenbach die Produktion zunächst als Theateraufführung inszeniert. Der vertraute Umgang der Schauspieler mit dem schwierigen Text tut der Interpretation gut. Es entsteht eine Intensität der Gestaltung, die dem Hörer das Geschehen bedrängend nahebringt. Virtuos, aber einfühlsam gehandhabte, wechselnde Ausdrucks- und Klangebenen zeichnen den Sprechduktus von Hildegard Schmahl als Chorführerin aus. Ihr stehen die anderen Protagonisten in nichts nach – Sylvana Krappatsch als Atossa, Mutter des Xerxes, Nico Holonics als Xerxes selbst und vor allem Wolfgang Pregler als großer Staatsgründer Dareios und verzweifelter Vater des menschenverachtenden, Städte schleifenden und doch, in all seiner Hybris, unglückseligen Sohnes.

Der Produktionsort für die Theaterperformance wurde auch für die rund 100-minütige Hörspielinszenierung beibehalten. Die Bayern-Kaserne im Münchener Stadtteil Freimann ist heute Unterkunft für Flüchtlinge aus Krieg führenden Ländern und Krisenregionen. Viele wirken mit im akzentuiert eingesetzten Chor, der die Bedrängnis der Besiegten durch diese besondere Authentizität eindrucksvoll umsetzt. Gelegentliche stimmliche Unzulänglichkeiten tun dem Gesamten keinen Abbruch, zumal der dumpfe und bedrängende Ton des Komponisten und Percussionisten Carl Oesterhelt die zunehmende, stumpfe Ohnmacht des einstmals so glanzvollen und siegesgewohnte Heeres auf äußerst suggestive Weise durchgehend präsent hält.

„Die Perser“ ist ein eindringliches Erlebnis, das auch in Hörbuchform auf großes Interesse bei allen Liebhabern von Sprach- und Medienkunst stoßen sollte. (Die Produktion steht nach der Ursendung auf Bayern 2 auch als Download im BR-Hörspielpool bereit.)

24.06.11 - Angela di Ciriaco-Sussdorff/FK